Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach [1612]

Orientalische Reyß Deß Edlen unnd Besten/ Hanß Jacob Breüning/ von und zu Buochenbach/ so er selb ander in der Tuerckey/ under deß Tuerckischen Sultans Jurisdiction und Gebiet/ so wol in Europa als Asia unnd Africa/ ohn einig Cuchtum oder FreyGleit/ benantlich in Griechen Land/ Egypten/ Arabien/ Palestina/ das Heylige Gelobte Land und Syrien/ nicht ohne sondere grosse Gefahr/ vor dieser Zeit verrichtet.
Alles in Fuenff underschiedliche Meerfahrten disponiert und abgetheylet/ auch was in einer jeden derselben/ von tag zu tag fuergangen/ ordentlich vom Authore selbsten verzeichnet: darinn ein jede abgesonderte Materi under ihr eigen Capitel oder Titul gebracht/ und mit schönen Kupfferstuecken gezieret. Mit angehenckter Summarischer Computation aller Meylen: sampt einem kurtzen Appendice, und außfuehrlichen Registern/ so wol der Capitel als anderer denckwirdigen Sachen. Mit Roem. Kays. May. Freyheit.
Gedruckt zu Straßburg/ bey Johann Carolo im Jahr/ M.DCXII.

Zitierweise: Rolf Felbinger: Quellenautopsie "Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach (1612)", in: Europabegriffe und Europavorstellungen im 17. Jahrhundert. Web-Projekt, Wolfgang Schmale (Dir.).
https://europaquellen.univie.ac.at/einzelansicht/news/hans-jacob-breuning-von-und-zu-buchenbach-1612/

Schlagworte: Erdteilallegorie; Forschungsreise; Mittelmeer; Mythos; Reisebeschreibung;

Fundort: ÖNB / 47.Kk.67

A) KurzbiographieB) Beschreibung der Quelle C) Europabegriff und -vorstellung bei Breuning von und zu Buchenbach

 

A) Kurzbiographie

Han[n]s Jacob Breuning von und zu Buchenbach (auch: Buochenbach) entstammte einer alten Tübinger Patrizierfamilie, die sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Er wurde um 1552 als Sohn des kaiserlichen Ratsherren Wolfgang Breuning von Rommersheim und dessen Ehefrau Ursula Greiff vermutlich in Speyer geboren, doch kann Innsbruck als Geburtsort ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Den adeligen Namenszusatz entlehnte er dem Gut Buchenbach nahe der württembergischen Stadt Winnenden, das er im Jahr 1587 erworben hat. Über seine Kindheit und seinen Werdegang liegen keine Informationen vor, doch scheint er eine ausgewogene humanistische Bildung genossen zu haben. Breuning von und zu Buchenbachs größte Leistung liegt in der 1612 gedruckten, ältere französische und italienische Reiseberichte auswertenden Beschreibung seiner drei Kontinente umfassenden Orientreise, die er nach eigenen Angaben am 30. April 1579 in Begleitung des französischen Edelmanns Jean Carlier de Pinon antrat und welche ihn vor allem nach Ägypten, Palästina, Syrien sowie in das Osmanische Reich brachte. Er verfasste das äußerst selten erhaltene Werk während einer langjährigen Kavalierstour, die ihn im unmittelbaren Anschluss an seine Orientreise durch das Deutsch-Römische Reich, Italien, Frankreich, England, Dänemark und Schweden führte.
Im Jahr 1584 trat er seinen Dienst im Verwaltungsbereich (Obervogt) des württembergischen Hofes an. Herzog Friedrich I. stellte ihn 1595 an die Spitze einer diplomatischen Delegation, die den Auftrag hatte, den englischen Hosenbandorden von Königin Elisabeth I. zu erbitten. Nachdem die Verhandlungen zu keinem Ergebnis geführt hatten, verfasste Breuning von und zu Buchenbach einen Gesandtschaftsbericht, welcher der modernen historischen Forschung einen vielfältigen Einblick in die zeitgenössische Diplomatie erlaubt. Seine weitere Karriere verlief äußerst schwankend, was einerseits Erfolge wie die Ernennung zum Oberhofmeister am "Collegium Illustre" in Tübingen und andererseits mehrere, wohl selbstverschuldete Dienstentlassungen und Rehabilitationsverfahren dokumentieren. Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach starb wahrscheinlich am 26. September 1617 (1616?) in Waiblingen und wurde in Tübingen nach evangelisch-lutherischem Ritus beigesetzt.

 

Literatur:

  • Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 3, S. 321.
  • Neue Deutsche Biographie, Bd. 2, S. 608.
  • Beckmann, Johann: Litteratur der älteren Reisebeschreibungen, Bd. 2, Göttingen 1810, S. 269 ff.

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B) Beschreibung der Quelle

Die "Orientalische Reyß" erweist sich als ein ebenso aufwendig gestaltetes wie inhaltlich gehaltvolles Werk, in dem Breuning von und zu Buchenbach vor allem auf den Charakter und die Sitten der Völker eingeht, die er auf seinen fünf Mittelmeerfahrten angetroffen hat. Seine etwa 350 Seiten umfassenden Ausführungen erwecken dabei beim heutigen Leser den Eindruck, dass sie wesentlich freier von alten Vorurteilen oder religiösen Vorbehalten sind als etwa die meisten vergleichbaren Pilgerschriften oder als die Reisebeschreibungen, die im letzten Jahrhundertdrittel herausgegeben wurden und unmittelbar unter dem Eindruck der erneut aufflackernden "Türkenkriege" standen. Das in Strassburg herausgegebene Buch umfasst neben dem reichlich illustrierten Titelkupfer eine Vorrede samt Widmung, ein kurz kommentiertes Autorenverzeichnis, ein Portraitkupfer des Verfassers in Medaillonform, ein Kapitelverzeichnis, den eigentlichen inhaltlichen Teil, eine "Computatio", die eine Übersicht der jeweils zurückgelegten, geschätzten Entfernungen beinhaltet, sowie einen Appendix, der in erster Linie aus einem Sachregister mit Indexfunktion besteht.
Das Titelkupfer zeigt die vier Erdteile als Allegorien, wobei für die "Europa"-Darstellung eine in zeitgenössischer Mode gekleidete Dame/Königin gewählt wurde. Sie befindet sich in der linken oberen Ecke der Illustration und lehnt, ebenso wie ihr asiatisches Gegenstück, an einer Säule, welche die Weltkugel trägt. Als persönliche Beigaben dienen ein Szepter, ein Schild, diverses Kriegsgerät sowie verschiedene Erntegaben, die auf den Reichtum "Europas" in Friedenszeiten - symbolisiert durch die Tauben mit Lorbeerkranz und den verschränkten Händen - hinweisen. Ein nur zum Teil sichtbarer, offensichtlich ruhender Stier, der auf den bekannten antiken Mythos anspielt, vervollkommnet diesen Ausschnitt des Bildprogramms. Die paarweise Anordnung "Europas" und "Asias" (sowie "Africas" und "Americas" im unteren Bilddrittel) ist in einer derartigen Konstellation zwar nicht ungewöhnlich, doch scheint die offenbar auch hierarchische Anordnung der Allegorien einer bestimmten Überzeugung des Auftraggebers zu folgen. Das weibliche "Europa" und das (als einzige unter den gezeigten Personifikationen) männliche "Asia" beherrschen die Welt, während ihnen die zwei anderen Weltteile entweder untertan oder sie generell von geringerer Bedeutung sind. Folgerichtig scheint auch die Kriegs- oder Friedensfrage nur in Bezug auf die beiden hauptsächlichen Protagonisten von Bedeutung zu sein. Herrscht zwischen "Europa" und "Asia" Krieg, so wird die gesamte Welt zwangsläufig von ihrem Kampf in Mitleidenschaft gezogen, während hingegen in Friedenszeiten alle Kontinente prosperieren. Der bildimmanente Wunsch nach einer bilateralen Verständigung der beiden mächtigsten Kontinente gewinnt durch diese Deutung eine spezielle Wertigkeit.
Was die Vorrede und das Autorenverzeichnis des Werkes betrifft, das der Autor in seiner Gesamtheit Herzog Johann Friedrich zu Württemberg widmet, so sollen einige Anmerkungen hervorgehoben werden, die zum Verständnis der Reiseberichte wichtig scheinen. Breuning von und zu Buchenbach sieht sich nach eigenen Angaben in der Tradition des ersten Kreuzfahrers Gottfried von Bouillon, der im Jahr 1099 Jerusalem erobert hatte. Ebenso wie sein historisches Vorbild will auch er die heilige Stadt gewinnen, doch aus anderen Gründen und mit durchaus friedlichen Mitteln. Gestützt auf antike bis zeitgenössische Berichte (Aeneas Silvius, Galen, Strabo, Sebastian Münster etc.) und motiviert durch die ständige Veränderung der Welt, hat er die Absicht, die Erde genauer zu erforschen, um sie besser verstehen zu können. Dass seine Erfahrungen dabei auch in einem größeren Zusammenhang von Bedeutung sein könnten, scheint dabei eine seiner Absichten gewesen zu sein.
Die eigentlichen Reiseberichte sind analog zu den fünf Meerfahrten des Autors in fünf Kapitel unterteilt, die wiederum in 121 Abschnitte (1/29, 2/49, 3/21, 4/11, 5/11) aufgespalten sind. Alle Kapitel sind mit zahlreichen Kupferstichen versehen, die teilweise deskriptiven, teilweise dekorativen Charakter haben. Außerdem sind die fünf Kapitel mit einer Randleiste versehen, die dem Leser anhand von Stichworten eine bessere Orientierung bieten soll. Der erste Eintrag des Reiseberichts trägt das Datum der Abfahrt: 30. April 1579. Wann die gesamte Forschungsreise des württembergischen Adeligen endete, lässt sich dahingegen aus dem Buchtext nicht entnehmen.

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C) Europabegriff und -vorstellung bei Breuning von und zu Buchenbach

Die fünf Meerfahrten folgen im Wesentlichen der Route "Italia", "Albania", "Griechenland", "Corfu" ("Schluessel der Christenheit"), "Zante", "Athen", "Troia", "Constantinopel", "Rhodos", "Alexandria", "Gran Cairo", "Memphis", "Sinai", "Suez", "Damiata", "Joppe", "Jerusalem", "Bethlehem", "Tripoli" und (über Malta, Sizilien, Sardinien und Korsika) nach "Marseille". Neben den heiligen Stätten Palästinas nimmt dabei primär die Hauptstadt Konstantinopel (vgl. Georg Christoph von Neitzschitz 1666) eine besondere Rolle in den Beschreibungen des Autors ein. Sie ist für ihn nicht nur Grenze, sondern auch Berührungspunkt zwischen den beiden Erdteilen Europa und Asien, was in diversen Eintragungen zum Ausdruck kommt: "Den 19. Julij/ namen wir abermalen zu uns eine Janizzaren, und fuhren sambt unserm Haußwirt in Bithyniam, welches ein Theil Asiæ Minoris oder Nattoliæ ist/ kamen mit der perma uber Meer/ auß Europa in Asiam, ehe als in einer halben stunde/ liessen zur rechten eine zimlichen grossen thurm/ so ins Meer gebawet/ auff welchem Custodia gehalten worden. [Die Stadt; Anm. d. Verf.] Scutari aber (so nit weniger in Asia als Gallata in Europa, gleichsam eine Vorstadt von Constantinopel) ist vor zeiten eine fuehrnaehme gewerbstadt gewesen [...]." Der Stadt und ihren Einwohnern räumt der Reisende ausgiebig Platz ein und beschreibt detailliert deren Sitten und Gebräuche wie etwa die Badekultur, die Kleidung und den Umgang mit Frauen, was ihn generell zu fesseln scheint. Obwohl diese meist in einem starken Spannungsfeld zum "europäischen" Verhaltenskodex stehen, beschreibt sie der Verfasser stringent in einem fast neutral zu nennenden Ton. Abwertende Äußerungen, etwa über die "Gotteslaesterlichen [des] falschen Propheten Machomets Kameels vermaledeyeten und verdampten reliquis" kommen nur äußerst selten vor. Verbindet man die verschiedenen, im Text der Beschreibung auftauchenden Aussagen zu "Europa" mit der vormaligen Deutung des Titelkupfers, so lässt sich daraus schließen, dass Breuning von und zu Buchenbach "Europa" und "Asia" nicht nur als zwei ebenso miteinander verbundene wie rivalisierende Erdteile sieht, sondern sie auch als zwei verschiedene, stark von den jeweiligen Religionen beeinflusste Kulturen deutet, die unter diesem Aspekt in einem ähnlichen Verhältnis zueinander stehen. Da im Text keinerlei Hierarchisierung vorkommt, fühlt man sich nach der Lektüre der "Orientalischen Reyß" automatisch an die in der Vorrede angestellten Ideen des Verfassers erinnert. Das Buch soll die Welt in ihrem augenblicklichen Zustand vorstellen, um sie besser verstehen zu können. Ob Breuning von und zu Buchenbach mit seinem Werk daher letztlich eine Art frühneuzeitliches Fragment zur "Völkerverständigung" geliefert hat, stellt eine interessante Überlegung dar, die jeder historisch interessierte Leser für sich selbst beantworten kann.

(rf)

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