Michael Praun [1685]

Michael Praun:
Der Alten Teutschen Reichs=Sachen Anmuthigkeiten/ In sich begreiffend Den wahren neu=entdeckten Uhr=Sprung der Teutschen und anderer Europäi=schen Völcker; Wie auch die Abkunfft der Teutschen und aller andern Europäischen Sprachen. So dann Die wunderbahre Regierung Gottes über die Japhiten/ Europäer und Teut=schen. Womit auch zugleich viel Geheimnüß der Na=tur von Erschaffung und Untergang der Welt/ von Ur=sachen der Sündfluth/ und daß die Welt mitten in der Lufft schwebe: Item/ von den Kennzeichen der letzten Zeit und deß instehenden Jüng=sten Tages entdecket/ und das gantze Werck in zwei Theil verhandelt worden. Allwo Im letzteren nicht allein dieses erwiesen ist/ wie ein vollkomme=ner Fürstlicher Staats=Rath ein Phoenix seye: sondern nechst solchen sind auch verschiedene curieuse/ so wohl Politische als Juristische Discurs in solchen erörtert und außgefertiget. Von Michael Praun/ beyder Rechten Doct. Com. Pal. Caes. und Fürstl. Baden Durlachischen Hofrath.
Speyer/ In Verlegung Christoph Olffen/ Buchh. Anno M.DC.LXXXV.

Zitierweise: Alexander Wilckens: Quellenautopsie "Michael Praun (1685)" in: Europabegriffe und Europavorstellungen im 17. Jahrhundert. Web-Projekt, Wolfgang Schmale (Dir.).
https://europaquellen.univie.ac.at/einzelansicht/news/michael-praun-1685/

Schlagworte: Japhet; Sprachen;

Fundort: ÖNB / 36.Z.36

A) KurzbiographieB) Beschreibung der Quelle C) Europabegriff und -vorstellung bei Praun

 

A) Kurzbiographie

Michael Praun der Jüngere, ein bislang wenig beachteter rechtshistorischer Schriftsteller mit großen literarischen Interessen, wurde 1632 in Nürnberg geboren. Er entstammte einer alten Nürnberger Familie und war Sohn jenes Michael Praun, der 1623 zu Basel Doktor beider Rechte wurde und 1667 zu Nürnberg starb. Michael der Jüngere, den Jöcher irrigerweise einen Patricius aus Ulm nennt, studierte Jura in Helmstedt und Altdorf, wo er am 6. November 1655 die Doktorwürde in den Rechten erhielt, nachdem er zuvor seine Arbeit Juris Romani vera et non simulata philosophia et ars verteidigte. Er war damals auch bereits als ordentlicher Advokat in Nürnberg angenommen worden und als solcher tätig. 1658 zog er nach Lindau, wo er Stadtsyndikus und Konsulent wurde. Dort heiratete er am 25. Oktober 1658 Sabina Heider, Tochter eines bekannten Lindauer Stadtrats und -syndikus. Nach seinen eigenen Aussagen in der Vorrede seines 1667 erschienen Werkes, Ausführliche Beschreibung Der Herrlichkeit... der Adelichen und Erbaren Geschlechtern in den Vornehmsten Freyen Reichs Städten, hatte Praun in Lindau verdrießliche Amtsgeschäfte, mit ein Grund für seinen Umzug 1667 nach Kempten, wo er auch als Stadtsyndikus tätig war. 1663 wurde er kaiserlicher Pfalzgraf und 1685 markgräflicher baden-durlachischer Hofrat. Im Jahre 1674 wurde er in der Fruchtbringenden Gesellschaft aufgenommen, wo er als "der Vorstellende" bekannt war. Er starb vermutlich 1695, der Sterbeort ist unbekannt. Praun veröffentlichte einige seiner zahlreichen Schriften unter dem Pseudonym Mercurius Platonissans: z. B. das Werk Cometae malus genius aus dem Jahr 1662, welches er dann 1682 unter seinem wahren Namen vermehrt auflegen ließ.

 

Literatur:

  • Deutsches biographisches Archiv, Mikrofiche-Edition, MF 978, 72-76.
  • Deutsches Literatur-Lexikon, hrsg. von Heinz Rupp und Carl Ludwig Lang, 3. Aufl., Bd. 12, Bern 1990, Sp. 237-238.
  • Jöcher, Christian Gottlieb: Allgemeines Gelehrten-Lexicon: Darinne die Gelehrten aller Stände... vom Anfange der Welt bis auf ietzige Zeit... Nach ihrer Geburt, Leben... Schrifften aus der glaubwürdigsten Scribenten in alphabetischer Ordnung beschrieben werden, Band III, Leipzig 1751, Sp. 1758.
  • Raßmann, Friedrich: Kurzgefaßtes Lexikon deutscher pseudonymer Schriftsteller von der ältern bis auf die jüngste Zeit aus allen Fächern der Wissenschaften, Leipzig 1830.
  • Zahn, Peter: Die Praun. Zur Geschichte einer Nürnberger Patrizierfamilie, Nürnberg 1972. (=Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek Nürnberg; 79)

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B) Beschreibung der Quelle

Prauns Werk besteht aus zwei unterschiedlichen Traktaten: Das erste Traktat ist in 330 Paragraphen eingeteilt, die in neun "Betrachtungen" gegliedert sind. Es erstreckt sich auf über 180 Seiten. Das zweite Traktat besteht aus 159 Paragraphen und zählt 143 Seiten. Auf eine sehr lange Vorrede folgt eine Inhaltsangabe des ersten Traktats und ein gemeinsames Register. Erst dann kommen die Traktate.
In der Vorrede lässt Praun wissen, er stelle dem Leser etwas Neues vor: "ich entdecke ihm den wahren Ursprung der Teutschen, wie dieselbe sambt den Spaniern, Frantzosen, Engelländern, Dähnen und Schweden von den alten Celten, die Celten aber von den Phöniciern, und diese von dem Tharsi Japhets Enckel herkommen seyn." Bis jetzt sei noch kein Gelehrter so weit vorgedrungen wie er. Aber das sei noch nicht alles: "ich zeige ihm auch damit, woher die Pohlen, Moscowiter, Slaven und Wenden ihren Ursprung haben, Item woher die Griechen und Römer entsprossen seyn. Sie seyn alle Japhiten und kommen die Griechen und Römer von Javan und Chitim, die Slavonische Völcker aber von den Sarmatern Scythen, und diese von dem Gog und Magog, dem Mesech und Thubal her". Er werde sogar bis zur Sintflut zurückforschen und das genaue Alter der Erde bestimmen. Praun habe all dies entdecken und erklären können, weil er "auf die Spur der Göttl. Vorsehung und Regierung" gekommen sei. In der Darstellung der Ursprünge der Deutschen und der Europäer im Allgemeinen geht er dialektisch vor, wobei er mit vielen Gelehrten seiner Zeit diskutiert und hauptsächlich der Bibel folgt. So handelt das Traktat zuerst über die Schöpfung der Erde und des Menschen durch Gott, ganz im biblischen Sinne. In der Folge bringt das Traktat eine Geschichte der Menschheit, der Geschlechter und Sprachen in der Welt und konzentriert sich dann auf den Ursprung der Deutschen. Praun erklärt, er habe "mit fleiß dieses Tractätlein in teutscher Sprach herfür gegeben, weilen ich vornemlich darin von teutschen Sachen und meinen Teutschen zu Dienst schreibe". Jede wohlgesittete Nation trachte, ihre Muttersprache zu erheben. So haben es die Römer gemacht und so tun es heute die Franzosen. Die Deutschen, die eine schöne, reine, wortreiche, majestätische Sprache besitzen, "welche eine von den allerältisten ist", tun es aber nicht. Und so klagt Praun: "Aber es ist eine Schande, daß die Teutsche, welche Gott zu dem allerhöchsten Volck in Europa erhebet, und bey welchen die Ehre den Kayserl. Titul zu führen stehet, krafft welchen ihrem Oberhaupt das Directorium in Rep. Gentium Chirstianarum in Europa gebühret, den Ruhm und die Herrlichkeit ihrer Sprach nicht besser bekant zu machen und außzubreiten trachten". Sein Traktat bezweckt eben eine Verherrlichung der eigenen deutschen Sprache, "zumahlen hiedurch einer Nation Ehr und Hoheit nicht wenig befördert wird".

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C) Europabegriff und -vorstellung bei Praun

Praun hat schon in anderen Schriften den Themenkomplex "Europa" aufgegriffen und direkt oder indirekt behandelt (siehe Praun 1660). Ganz im Geiste der gelehrten, moralisch-didaktischen Literatur seiner Zeit ist im vorliegenden Werk das Europakonzept in einem schweren, dichteren Diskurs über den Ursprung des deutschen Volkes eingebettet.
Für Praun geschieht die ganze Geschichte der Menschheit, weil Gott sie erlaubt oder gewollt habe. Und mögen die Machiavellisten sagen was sie wollen, "so bleibt es doch dabey, daß Gott die Frommen und ihre Nachkommen segne, die Gottlose aber und ihre Kinds=Kinder strafe". Unter diesem Vorzeichen sei es mit den Völkern zugegangen: Der Fluch Gottes gegen Canaan, der Sohn Hams, und der Segen Gottes zu Sem und Japhet, die Kinder Noahs, überdauern bis heute. Die Gestalt Japhets und der Segen bzw. Fluch Noahs sind die Prämissen der Geschichte der europäischen Völker bei Praun. Noahs Segen - "Gott breite Japhet auß, und lasse ihn wohnen in den Hütten Sems, und Canaan seye sein Knecht - habe seine Erfüllung erlangt, "indeme deß Japhets Nochkommen sich nicht allein fast in alle Europäische Länder außgebreitet, sonder auch einen guten Theil von Asien einbekommen haben." Von Japhets Nachkomme Tharsis stammen die Phönizier ab. Sie "haben mit ihren Colonien, Spanien, Franckreich, Engelland, Teutschland besetzet, und viel Insuln und Oerter an dem Mittelländischen Meer beherrschet". An diesen japhitischen Völkern, besonders an den Europäern, also Griechen, Römer, Spanier, Engländer, Gallier, Schweden, Dänen, Moskowiter, Polen und Ungarn, sei es auch erfüllt worden, "daß sie zu der Hütten Sems, das ist, der Christlichen Kirchen kommen sollen, indeme die Lehr Christi nirgend herrlicher blühet, als bey den Europäischen Völckern, welche mit und neben der Christlichen Religion auch andere Völcker, an Weißheit, Macht, Ehr, Kunst und herrlichen Gebäuen, an aller Feld= und Garten=Lust weit üertreffen, also daß heut zu Tag Europa vor andern Theilen der Welt wie ein schöner Garten Gottes floriret und pranget". Für Praun ist die Annahme des Christentums (der wahren Religion) durch die Europäer die Ursache, dass ihre Länder so herrlich seien und dass nun Europa gegenüber anderen Erdteilen an Zierde, Kunst und Weisheit weit überlegen ist.
Auf dieselbe Weise habe Gott die Deutschen zur wahren christlichen Religion geführt und zu den Erben des Römischen Reiches gemacht. So wie die Vorherrschaft der Europäer über die anderen Völker der Erde im Mythos des Japhets begründet ist, so wird auch der Vorrang der Deutschen in Europa aus der Nachkommenschaft Japhets hergeleitet.
Die Sprachen der Europäer sind die andere Quelle, die es Praun ermöglicht, den Ursprung der deutschen und europäischen Völker zu ermitteln und ihn mit der Nachkommenschaft des Japhet in Einklang zu bringen. Neben der griechischen und lateinischen Sprache, die schon ausgestorben seien, treffe man zwei Hauptsprachen in Europa: "die alte Celtische und die Slavonische Sprachen mit ihren Töchtern". Denn alle anderen Sprachen in Europa stammen aus diesen zweien. "Von der Celtischen komment die Englische Teutsche, Schwedische, Dänische, die alte Spanische und Gallische Sprache her. Und die Böhmische, Ungerische, Pohlnische, Moscowitische und Türckische Sprach seyn Töchter der Slavonischen Sprache." Bemerkenswert ist Prauns Behauptung, die "Celtische Sprach" komme von der Phönizischen und die Slavonische von der Arabischen her. Durch diese gäbe es dazu noch eine Gemeinschaft mit der hebräischen Sprache. "So könte man etwan mit der Zeit es gar dahin bringen, daß man zu einer allgemeinen Haup=Sprach gelangen könte, wodurch vornemlich die Europäische und guten Theils Asiatische Völcker, oder doch zum wenigsten die Gelährte einander in etwas besser verstehen, und damit bessere Freundschafft unter dem Menschlichen Geschlecht fortgepflantzet werden möchte". Auf diese Weise gelingt es Praun sowohl den Ursprung der Europäer, wie auch der anderen Völker auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, von dem sich alle ableiten: Gott.

(aw)

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