Peter Anthony Motteux [1697]

Peter Anthony Motteux:
Europe's Revels For The Peace, and His Majesties Happy Return. A Musical Interlude. Performed at the Theatre In Little Lincolns-Inn-Fields, By His Majesties Servants. With a Panegyrical Poem spoken There, on the same Occasion.
London, printed for J. Tonson at the Judge's Head, near the Inner-Temple-Gate, in Fleet-street. 1697.

Zitierweise: Rolf Felbinger: Quellenautopsie "Peter Anthony Motteux (1697)", in: Europabegriffe und Europavorstellungen im 17. Jahrhundert. Web-Projekt, Wolfgang Schmale (Dir.). https://europaquellen.univie.ac.at/einzelansicht/news/peter-anthony-motteux-1697/

Schlagworte: Friede von Rijswijk; Intermezzo; Libretto;

Fundort: BSB / Film R 361-796

A) KurzbiographieB) Beschreibung der Quelle C) Europabegriff und -vorstellung bei Motteux

 

A) Kurzbiographie

Pierre Antoine Motteux (auch: Le Motteux, Mottieux) wurde am 25. Februar 1663 als Kind von Hugenotten in Rouen geboren. Über seine Kindheit ist kaum etwas bekannt, doch lassen seine guten Sprachkenntnisse und sein breitgefächertes Wissen auf eine fundierte Ausbildung schließen. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes floh er 1685 nach England, wo er sich in London niederließ und ein Jahr später unter dem Namen Peter Anthony Motteux eingebürgert wurde. Seinen ersten Erfolg in der literarischen Welt Londons erzielte er als Herausgeber und Autor des "Gentleman's Journal", das als eine der ersten monatlich publizierten Zeitschriften zwischen Januar 1692 und November 1694 erschien und sich mit dem zeitgenössischen Theater und der Musik auseinander setzte. Motteux trat seit dieser Periode stark für die Einführung der Oper nach italienischem und französischem Vorbild ein, die ab Mitte der Neunziger Jahre das traditionelle Musikdrama langsam verdrängen und sich schließlich zu Beginn des 18. Jahrhunderts vollends etablieren konnte. Zwischen 1694 und 1708 arbeitete Motteux beständig mit verschiedenen Komponisten, vor allem aber mit seinem Partner John Eccles (1655?-1735) an kleineren Opern, Masken- und Singspielen. Außerdem fungierte er als Bühnenautor und übersetzte Werke von Francois Rabelais ("Gargantua", "Pantagruel") und Miguel de Cervantes ("Don Quixote") in die englische Sprache. In seinem letzten Lebensjahrzehnt zog er sich vom künstlerischen Leben der englischen Hauptstadt zurück und versuchte als Kaufmann im Import-Export-Gewerbe Fuß zu fassen. Motteux starb am 18. Februar 1718 an einem seltenen Erstickungssyndrom in einem Londoner Bordell.

 

Literatur:

  • Manuel du Bibliographie Normand ou dictionnaire bibliographique et historique, T. 2, Rouen 1860, S. 331.
  • The New Grove dictionary of music and musicians, vol. 17, London 2001, S. 231.
  • Cunningham, Robert: Peter Anthony Motteux, 1663-1718: a biographical and critical study, Oxford 1933.
  • Hook, Lucyle: Motteux and the classical masque. In: Kenny, Shirley S. (ed.): British Theatre and the other arts, 1660-1800. London 1984. S. 105-115.

zum Seitenanfang

 

B) Beschreibung der Quelle

Motteux verfasst das Libretto zu dem musikalischen Intermezzo "Europe's Revels For The Peace" vermutlich im September oder Oktober des Jahres 1697. Es wurde anlässlich des "Friedens von Rijswijk" sowie der Rückkehr des englischen Königs William III. von Oranien nach London geschrieben und von dem Komponisten John Eccles (1655?-1735) vertont. Die vorliegende Autopsie bezieht sich auf ein seltenes Aufführungsprogramm, das 1977 von einer amerikanischen Reproduktionsfirma (XMS, Ann Arbor, Michigan) auf Mikrofilm kopiert wurde.
Das Umschlagblatt enthält neben Titel, Anlass, Gattungsbezeichnung, Aufführungsort sowie zusätzlichen Programm-, Verleger- und Druckinformationen auch den, durch Querbalken hervorgehobenen Namen des Verfassers Motteux, der bei seinem ersten musikalischen Maskenspiel "The Rape of Europe by Jupiter" (1694) noch völlig unerwähnt geblieben war. Nur drei Jahre später scheint er einen wesentlich größeren Bekanntheitsgrad besessen zu haben, so dass sein Name publikumswirksamer vermarktet werden konnte.
Vor dem eigentlichen Text des Intermezzos befinden sich eine umständlich formulierte Widmung Motteux' ("Tho' I make bold to Prefix your Name to this hasty Product of a Loyal Muse; I do not presume to Impose it on your Generous Nature in the formal way of a Dedication. […]") an seinen Finanzier und vermutlichen Mäzen "Sir Theodore Janssen" sowie ein panegyrisches Gedicht über die herausragende Figur des englischen Monarchen ("France shook the Globe, but William humbl'd France"), das die Zuschauer - in der Form eines gesprochenen Prologs - auf die Aufführung vorbereiten soll. Anschließend folgt die originale Besetzungsliste, die alle aufgeführten Ensemblerollen mit den am Friedensschluss beteiligten Nationen ("an English Country man", "a Dutch Boor", "a French Officer" usw.) verbindet sowie die verpflichteten Sänger namentlich ausweist.
Der übersichtliche Szenenaufbau des Musikstückes erweist sich als routiniert und folgt dem Geschmack der Zeit. Die Anfangsszene geht auf den durch Frankreich erzwungenen Krieg ein und wird von martialischen Musikeinsätzen begleitet. Ihr folgt ein abrupter Wechsel, als eine englische Dame unerwartet die Bühne betritt, den Frieden verkündet und die am Krieg beteiligten Nationen zu einer gemeinsamen Feier aufruft. Verschiedene Personen betreten nun singend die Bühne, führen landestypische Tänze vor und wechseln ihre Partner, wobei die Handlung partiell burleske Züge annimmt. Den Höhepunkt bildet die Heimkehr Williams III. von Oranien, der als Friedensbringer gepriesen und dem ewige Herrschaft gewünscht wird. Motteux widmet darüber hinaus dem englischen König den Text eines einzelnen Liedes, das er mit dem Zusatz "Design'd for a Private Performance" an den Schluss des Programms gesetzt hat. Die Noten der Vertonung von Eccles liegen der Schrift nicht bei.

zum Seitenanfang

 

C) Europabegriff und -vorstellung bei Motteux

Das routinierte Duo Peter A. Motteux/John Eccles greift in dem musikalischen Intermezzo von 1697 nicht wie üblich auf einen antik-mythologischen Inhalt zurück, sondern verarbeitet mit dem "Frieden von Rijswijk", der den Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) beendet, ein zeitbezogenes Thema. Während des neunjährigen Krieges, der aufgrund der beteiligten Staaten europäische Ausmaße erreichte, standen sich einerseits Frankreich und andererseits die "Liga von Augsburg" (seit 1686) bzw. der "Großen Allianz" (seit 1689/90) gegenüber, die sich aus dem Heiligen Römischen Reich, Spanien, Schweden (für das Herzogtum Bremen-Verden), England, den Vereinigen Niederlanden und vorübergehend Savoyen (1690-1696) zusammensetzte.
Die Besetzungsliste des Musikstückes zeigt, dass dem gesamten Ensemble die Nationalitäten der Staaten zugewiesen wurden, die im Zusammenhang mit dem Krieg bzw. "Frieden von Rijswijk" stehen. Neben einem englischen Offizier treten beispielsweise ein französischer Offizier, ein holländischer Bauernlümmel, ein Savoyarde mit einer Jahrmarktsattraktion, spanische Tänzer und ein britischer Chor auf. Auch der anfängliche Aufruf einer englischen Lady, den heimkehrenden König zu preisen und sich über den erreichten Friedensschluss zu freuen, wendet sich explizit an die beteiligten "Nationen" ("Advance, happy Nations, to praise him, advance, From Britain, from Spain, from Belgia [Spanische Niederlande], from France [...] sing, revel, and dance.").
Auffälligerweise existiert in dem Stück kein "deutscher", "österreichischer" oder in einer anderen Form "Reichs"-bezogener Charakter, was damit zusammenhängen könnte, dass der Friedensschluss zwischen Spanien, England, den Generalstaaten und Frankreich schon in der Nacht vom 20. auf den 21. September geschlossen wurde, während der Reichsvizekanzler Graf Kaunitz den Friedensvertrag für Kaiser und Reich erst am 31. Oktober unterzeichnete. Savoyen hingegen hatte bereits im Jahr zuvor einen Separatfrieden mit den Unterhändlern Ludwigs XIV. geschlossen und war aus der "Großen Allianz" ausgetreten. Diese Überlegung deckt sich mit dem vermuteten Entstehungszeitraum (September/Oktober 1697) des Intermezzos.
Das die "englischen"/"britischen" sowie die "französischen" Rollen das Stück dominieren, verwundert dahingegen nicht. Dies erklärt sich auf der einen Seite aus der persönlichen Vita des Librettisten Motteux, der als Hugenotte aus seiner französischen Heimat geflohen war und in England eine zweite Heimat gefunden hatte und auf der anderen Seite aus dem direkten Gegensatz der zwei maßgeblichen Nationen und ihrer Protagonisten: Frankreich/Ludwig XIV. sowie England (&Vereinigten Niederlande)/Wilhelm III. von Oranien. Schließlich spielt sowohl der Prolog als auch der eigentliche Text des Stückes ("Britain, it self a World"; "France, whose exerted Pow'rs decrease") kontinuierlich auf die besondere Stellung beider Länder in und für Europa an.

(rf)

zum Seitenanfang