L'Evrope vivante, ov relation novvelle,/ historiqve et politiqve/ de tovs ses etats,/ selon la face qu'ils ont sur la fin de l'année M. DC. LXVI./ representez en divers tableavx,/ qui en decuurent/ L'Etendue, la Qualité, le Commerce, les Forces, les Reuolutions,/ la Religion, le Gouvernement, les Pretentions, & les Interests:/ Suiuis/ des Portraits et des Alliances/ des Roys et des Princes/ Où il est traitté/ De l'Estat de leurs Cours, Du Genie de leurs Peuples,/ Des Vniuersitez & Bibliotheques celebres,/ Des Academies d'Eloquence, &/ Des Personnes Illustres dans chaque Profession./ Avec un Recveil/ Des Choses les plus Memorables qui se sont passées dans l'Europe depuis la/ Paix Generale; Des Reuolutions; Des Prodiges: Des Guerres: Des/ Attentats: Des Traittez de Paix: Des Grandes Desseins: Des/ nouuelles Decouuertes: Des Actions Solennelles: Des/ Morts: Des Naissances: Des Marriages Illustres./
A Géneve/ pour Iean Herman Widerhold,/ M. DC. LXVII./ Auec Priuilege du Roy Tres-Chrestien.
Zitierweise: Alexander Wilckens: Quellenautopsie "Samuel Chappuzeau (1667)", in: Europabegriffe und Europavorstellungen im 17. Jahrhundert. Web-Projekt, Wolfgang Schmale (Dir.).
https://europaquellen.univie.ac.at/einzelansicht/news/samuel-chappuzeau-1667/
Schlagworte: Christenheit; Geographie; Religionen; Sprachen; Staaten;
Fundort: ÖNB / BE.9.Q.31.32
A) Kurzbiographie | B) Beschreibung der Quelle | C) Europabegriff und -vorstellung bei Chappuzeau |
Samuel Chappuzeau wurde am 16. Juni 1625 in Paris geboren. Sein Vater Charles, ein angesehener Mann, der über vierzig Jahre das Amt eines Sekretärs im Conseil privé du Roy bekleidete, stammte ursprünglich aus Poitou, wo die Familie schon früh den reformierten Glauben angenommen hatte. Der unruhige und unbändige Samuel wurde zur calvinistischen Schule in Châtillon-sur-Loing geschickt, dann ging er nach Genf. Mit kaum 15 Jahren kehrte er in seine Heimat zurück, wo katholische Eiferer ihn der reformierten Kirche abspenstig machten. Er blieb auch dem Elternhause fern. Doch ein Jahr später kehrte er zur reformierten Kirche zurück und blieb ihr ein treuer Anhänger. Danach wurde der reuige Sohn von dem Vater mit Liebe wieder aufgenommen. 1644 begab er sich nach Montauban, um dort Theologie zu studieren. Nach Abschluss seines Studiums unternahm er als Lehrer und Begleiter eines jungen Edelmannes eine Reise nach England und Schottland. Wegen des Bürgerkrieges ging er 1648 nach Holland, wo er bis Mitte 1650 verweilte und mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit anfing. Auf der Suche nach einem Posten ging er dann nach Bremen und Kassel, wo er Zutritt zum Hof der Landgräfin Amalie-Elisabeth von Hessen-Kassel fand. Nach dem Tod der Landgräfin 1651 kehrte er nach Frankreich zurück. In Lyon konnte er eine Stellung als "Correcteur d'Imprimerie" bekommen und heiratete die Genferin Maria della Serra. Dort lernte er auch Moliére kennen. Werke wie Lyon dans son lustre und Le cercle des femmes erschienen 1656. Die Tragikomödie Damon et Pythias sowie andere Werke erschienen 1658 in den Niederlanden, wohin er wieder übersiedelte und wo er bis 1661 am Hofe Wilhelms II. von Oranien als Lehrer des jungen Prinzen tätig war. Zurück in Paris führte er verschiedene Komödien auf. Seine Beziehungen zu Moliére waren nicht gut, so dass Chappuzeau ihn in seinem Europe vivante nicht unter den berühmten Dichtern Frankreichs nennt. 1662 starb seine Frau bei der Geburt des 5. Kindes. Bald danach heiratete er wieder eine Genferin, Marie Trichot. Wegen Verwicklung in einen Prozess gegen einen früheren Freund, der ihn seinen Unterhalt verlieren lässt, übersiedelte er nach Genf, wo er 1666 die Bürgerschaft erlangen konnte. Von Genf aus unternahm er ständig Reisen um Stoff für seine geographisch-politischen und lexikographischen Werke zu sammeln. Sein Werk Relation de Savoie, wo er den Herzog von Savoyen auch Comte de Genève nennt, bewirkte, dass er wegen Staatsverrat aus Genf verwiesen wurde. Die Verbannung wurde erst 1679 aufgehoben. 1682 übersiedelte er nach Celle, wo er am Hof des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg endlich einen festen Posten als "Gouverneur des pages" antreten konnte. Dort starb er am 31. August 1701 im Alter von 76 Jahren. Sein Werk Le théâtre français (1674) gilt als bedeutendste Kulturgeschichte des französischen Theaters im 17. Jahrhundert.
Literatur:
- Biographie Universelle ancienne et moderne 7, 1854, S. 497 f.
- Dictionnaire de Biographie Française, sous la direction de M. Prevost et Roman D'Amat, Tome VIII, Fascicule XLIII, Cayron-Chambon, Paris 1956, S. 442 f.
- Meinel, Friedrich: Samuel Chappuzeau 1625-1701. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen philosophischen Fakultät der Universität Leipzig, Borna-Leipzig 1908.
Chappuzeaus Werk ist eine umfangreiche historische, geographische und wirtschaftliche Abhandlung über Europa, die in zwei Teilen zwischen 1667 und 1669 erschienen ist. Der erste Teil aus dem Jahre 1667 ist auf 528 Seiten im 4° Format angelegt und "Aux Puissances Souveraines de la Chrestienté" gewidmet. Er erschien gleichzeitig auch in Paris, "chez Jean Du Bray, marchand Libraire, ruë Saint Jacques, aux Espics Meurs, MDCLXVII."
Dieser erste Teil erlebte schon nach zwei Jahren eine 2. Auflage und erschien alsdann, wiederum bei Jean Herman Widerhold in Genf, mit dem zweiten Teil des Europe Vivante zusammen, der, wie sein Titelblatt besagt, die Staaten Europas beschreibt "Selon la face qu'ils ont depuis la fin de année MDCLXVI jusques au commencement de l'anné MDCLXIX". Dieser zweite Teil umfasst 326 Seiten im 4° Format. Gewidmet ist "l'Europe Vivante", 2. Teil "Aux Princes et Estats Protestans De l'Allemagne, par le Sr. Chappuzeau cy-devant Precepteur de S. A. S.me le Prince d'Orange".
1671 erschien eine "Seconde Edition" des Werkes, die jedoch in Wirklichkeit eine 3., nur ganz wenig veränderte Auflage des ersten Teiles ist.
Nach einem Frontispiz mit den Gestalten von Arte und Marte, dem Titelblatt und der Widmung, in welcher Ludwig XIV. als Sonne auf Erden gepriesen wird, folgt ein "Avertissement" an Stelle eines echten Vorworts. Ein Vorwort hält Chappuzeau eigentlich für überflüssig, setzt aber dennoch etwas ähnliches an seine Stelle, um die Kritiker zum Schweigen zu bringen, denen eine solche Neuigkeit unbillig erscheinen würde. Das Werk sei nicht für Gelehrte geschrieben, sondern für diejenigen, die weniger wissen und "qui n'ont pas arpenté tant de Prouinces", so dass es jenseits der Zensur stehe und die Kritik der Gelehrten nicht verdiene. Er habe sich nichts anderes vorgenommen als "de donner l'Europe en petit, & de reduire à peu de pages les diuerses Relations qui courent de ses Estats." Dabei möchte er Europa so vorstellen, wie es gegenwärtig, also bis 1666, aussehe. Kein Wort solle man über die Weissagungen verlieren, die für den 1. Oktober 1666 das Ende der Welt vorhersagen. Auch wenn gerade Krieg zwischen zwei braven Nationen (England und die Niederlande) herrscht, so hofft Chappuzeau auf ein baldiges glückliches Ende der Feindseligkeiten.
Nach einer allgemeinen Betrachtung der geographischen und politischen Verhältnisse Europas behandelt Chappuzeau in der im Titel angegebenen Weise, nämlich in 9 "Tableaux", folgende europäische Länder: Großbritannien, Schweden und Dänemark, Rußland, Frankreich, Deutschland mit der Schweiz und den Niederlanden, Polen, Spanien und Portugal, Italien und die Türkei. Art und Weise der Beschreibung und Anordnung des Stoffes sind im ersten und zweiten Teil dieselben.
Als Quelle zu diesem Werk dienten Chappuzeau sowohl ältere Autoren wie das auf seinen Reisen gesammelte Material.
L'Europe vivante fand relativ große Verbreitung, vor allem weil Chappuzeau es nicht versäumte, beijeder seiner späteren Reisen das Werk mitzunehmen und es den Adligen, um deren Gunst er warb, zu schenken.
C) Europabegriff und -vorstellung bei Chappuzeau
Im ersten Teil seiner allgemeinen Betrachtung der Verhältnisse Europas gibt Chappuzeau Auskunft über die Überlegenheit Europas in der Welt. Europa ist für Chappuzeau der edelste und schönste Teil des großen Kontinents, mit dem milderen Klima und, abgesehen von der nördlichen Grenze, mit der besten Lage aller Erdteile, nämlich in der temperierten Zone. Auch wenn kleiner als Asien und Afrika übertreffe es sie beide in Artigkeit, Höflichkeit, Abgeschliffenheit und anderem. Alles habe seine "Revolutionen und Perioden", und so wie einst das alte Ägypten, Griechenland, Rom groß und mächtig waren, so seien es heute die Europäer. Weder die Helden noch die Monarchien der Vergangenheit hätten ihre Eroberungen so weit gebracht wie die Europäer, die Fuß in den Küsten aller Ozeane gefasst haben. Es sei aber erstaunlich, dass nach dem Zugrunderichten der Reiche der Mexikaner und der Inkas es immer noch nicht möglich wäre, die Piraten im Mittelmeer zu besiegen. Im Grunde sei diese Tatsache eine Strafe Gottes, weil die Christen nicht nach den Regeln des Christentums leben und sich gegenseitig bekämpfen. Seit sechs Jahren aber genieße Europa eine tiefe Ruhe, die nur jetzt durch den Krieg zwischen England und den Niederlanden gestört werde. Es sei zu befürchten, dass die ganze Welt von diesem Krieg zwischen den Meistern des großen Handels betroffen wird, weil der Handel wie eine Kette wäre, die Orient und Okzident zusammen hält.
Nach Meinung des Verfassers sei Europa heutzutage in Besitz der Waffen und der Wissenschaften, der Höflichkeit und des Mutes. Vorzüglichkeiten, die die anderen Weltteile entweder nie gehabt hätten oder schon nicht mehr besitzen. Sie versinken jetzt in der Faulheit und in der Ignoranz, in Unzucht und Weichlichkeit und kennen keine Tugend. Hinzu kommt, dass Europa, mehr als die anderen Weltteile, sehr fruchtbar und begünstigt sei und alles Nötige zum Lebensunterhalt produziere.
Waffen und Wissenschaften seien die Stütze und die unerschütterlichen Säulen der europäischen Staaten. Doch die ganze Glorie Europas, wo die Gerechtigkeit souverän regiere, basiert nach Ansicht des Autors auf dem Christentum. Auch wenn Europa noch kleine Reste Idolatrien, einige Juden und einige Muslime ertragen müsse, sei Europa und Christenheit gleichzusetzen. Die Christen hätten in Europa Bescheidenheit, Demut und Geduld und den Glauben an den wahren Gott eingeführt. So seien unzählige Seelen für Gott gewonnen worden. Zu bedauern seien die diversen Sekten und ihre verschiedene Verdrießlichkeiten innerhalb Europas. Doch über sie möchte Chappuzeau nicht richten.
Nach diesen Erörterungen gibt Chappuzeau eine rein geographische Definition Europas. Europa liegt zwischen dem 35. und 72. Breitengrad und zwischen dem 10. und 100. Längengrad. Seine Mitte befinde sich somit gleich weit entfernt vom Äquator und vom Nordpol. Es wird auf zwei Seiten vom großen Ozean gebadet, auf einer dritten vom Mittelmeer, und ist durchkreuzt von schönen Flüssen. Dadurch sind alle seine Teile gut miteinander verbunden, so wie Europa selbst mit dem Rest der Welt gut verbunden ist. Seine Ausdehnung ist nicht so groß wie die von Asien oder Afrika. Die größten Längen findet man zum einen zwischen dem "Promontoire de Tenare" oder "Cap de Matapan" (der südlichste Punkt des Peloponnes) und dem "Cap de Nortkin", auch unter dem Namen Rutuba bekannt, wo Skandinavien Richtung Nordpol geht, zum anderen zwischen dem "Cap de Saint Vincent" in Portugal und der Mündung des Oby in Moskau. Um den Lesern die Geographie Europas in vereinfachter und methodischer Weise darzustellen, unterteilt Chappuzeau den Kontinent in Golfe, Seen und Flüsse, Halbinseln, Inseln und Berge. Um sie dann untereinander vergleichen zu können - was die Geographen normalerweise versäumen würden -, reduziert Chappuzeau die Golfe und Halbinseln auf drei, die Seen und Inseln auf neun, die Flüsse und Berge auf fünfzehn.
Danach behandelt Chappuzeau die "Qvalité de l'Europe" im Allgemeinen, um nochmals die Vorzüge Europas gegenüber den anderen Erdteilen hervorzuheben. Es folgt eine detaillierte Beschreibung der natürlichen Ressourcen Europas, angefangen mit den Mineralien und Bergwerken (vor allem den Silberminen) und endend mit den Edelsteinen (Perlen, Rubine, Achate, Korallen, Bernstein).
Im dritten Teil des "Tableau General" bietet Chappuzeau eine ausführliche politische Definition Europas. Der Regierungsform nach unterscheidet Chappuzeau zwischen monarchischen und aristokratischen Regierungen, wobei auch eine Mischung der beiden existiert. Eine rein demokratische Regierung gäbe es nicht, außer vielleicht bei den Schweizer Kantonen, die aber ein zu kleines Glied dieser "Illustre Republique" (Europa) sind. Die wichtigsten souveränen Staaten Europas ordnet der Verfasser in Kaisertümer (Empires), Königreiche, Herzogtümer, Fürstentümer und Republiken. Demnach gäbe es in Europa zwei Kaisertümer (das Heilige Römische Reich deutscher Nation, das halb Monarchie, halb Republik sei, und das Osmanische Reich, das nur einem einzigen Monarchen gehorche), sieben Königreiche (Frankreich, Spanien, England, Portugal, Dänemark, Schweden und Polen), sieben bzw. acht Kurfürstentümer (Mainz, Trier, Köln, Böhmen, Pfalz, Bayern, Sachsen und Brandenburg), sieben Herzogtümer (Moskau, Savoyen, Toskana, Lothringen, Sachsen, Bayern und Holstein), sieben Republiken (Schweiz, Venedig, Vereinigte Provinzen der Niederlande, Genua, Lucca, Genf und Ragusa) und drei große Fürstentümer (Transsylvanien, Walachei und Moldawien, "toutes trois tributaires du Grand Seigneur"). Der Kirchenstaat, mit dem Papst als weltlicher Fürst in Italien, nimmt eine Sonderstellung ein.
Chappuzeau bedenkt auch die machtpolitische Stellung der Fürsten im europäischen Kontext. Der König von Spanien, der König von Schweden, der Prinz von Oranien, der Landgraf von Hessen-Kassel, der Herzog von Mantua und der Herzog von Modena seien alle im Niedergang ihrer Macht begriffen. Dagegen seien der König von Frankreich, der König von England, der König von Portugal, der Kurfürst von Bayern, der Herzog von Savoyen, der Herzog von Holstein, die Herzöge von Lüneburg, der Landgraf von Hessen-Darmstadt, der Herzog von Mecklenburg, der Fürst von Mont-Belliard, der Fürst von Ostfriesland, der Markgraf von Baden, der Große Fürst von Moskau und der "Grand Seigneur" (der Osmanische Herrscher) alle "dans le bel âge". Der Papst, der König von Polen, der König von Dänemark und die restlichen Fürsten wären auf halbem Weg, doch eher im Niedergang begriffen.
Als viertes Element seiner Europa-Beschreibung stellt Chappuzeau die verschiedenen Sprachen Europas vor. Griechisch und Latein seien im Grunde genommen tote Sprachen, die nur mehr von Gelehrten benutzt werden. Lebende Sprachen gäbe es in Europa eigentlich nur zwei, von denen sich andere ableiten: die "Slavonische" und die "Teutonische". Die Slavonische sei gängig in Konstantinopel und sogar in Kairo. Die Hauptdialekte, die sich von ihr ableiten, sind: "Ruthenique pour les Moscouites, la Dalmatique pour les Transyluains & pour les Hongrois; la Bohemienne & la Polonoise, auec quelques autres qui ont cours entre les Valaques & le Moldaues, & chez les petits Tartares". Von der Teutonischen Sprache leiten sich drei Hauptdialekte ab: Deutsch, Sächsisch und Dänisch. Von diesen Dialekten stammen dann Englisch, Flämisch, Schwedisch, Norwegisch und die Sprache der Schweizer. Wichtig sind noch die aus dem Latein entsprungenen Sprachen: Italienisch, Französisch und Spanisch. Darüber hinaus verzeichnet Chappuzeau eine Vielzahl anderer Sprachen, die aber nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Ohne Stellung für oder gegen eine Sprache als die elegantere oder weichere nehmen zu wollen, meint Chappuzeau, dass "toutes les nations Etrangeeres qui ont tant d'ambition de bien sçauoir nôtre Langue, auoüent apres l'auoir bien apprise, qu'il n'y en a point dans l'Europe qui approche de la force de ses expressions, de sa netteté & de sa douceur."
Zum Schluss behandelt Chappuzeau die Religionen. Drei Religionen teilen sich heutzutage die Welt: die heidnische, die mohammedanische und die christliche. Das Heidentum nehme für sich die größten Regionen der Welt ein. Mohammedaner und Christen nehmen kleinere in etwa gleich große Regionen ein. Doch der Unterschied bestehe darin, dass die Christen viel dichter zusammen leben und die von ihnen in Anspruch genommenen Provinzen die meistbewohnten der Welt sind. Das Christentum hat sein Zentrum in Europa, von wo aus es sich nach Asien, Afrika und Amerika verbreitet habe. Innerhalb der Christentums unterscheidet Chappuzeau zwischen der orientalischen Kirche (in Griechenland, Abessinien, Armenien, Moskau und den verschiedenen Varianten...), den Römischen Christen und den Protestanten (hierunter Lutheraner und Calvinisten). Dem Judentum, das seinen mickerigen Körper zerstreut hat, das nirgendwo dominiert und kein Königreich oder Magistratur besitzt, räumt der Verfasser keinen Platz in seiner Beschreibung ein.
Auf der Basis der behandelten geographischen, politischen und historischen Stellung des Kontinents habe Europa Ansprüche über die anderen Teile der Welt. Die Ansprüche Europas über Asien, Afrika und Amerika könne man nicht von der bekannten Teilung der Erde zwischen Kastilien und Portugal durch Papst Alexander VI. ableiten. Dies seien nicht die Ansprüche ganz Europas, sondern nur diejenigen der beiden Kronen. Ob die Verteilung der Welt unter Spanier und Portugiesen rechtmäßig sei, kann Chappuzeau nicht sagen, da er kein Jurist oder Theologe ist. Er weist nur daraufhin, dass die ganze Erde der Souveränität Gottes gehört. Er habe sie den Fürsten gegeben, und wenn Europa irgendeinen Anspruch auf den Rest der Welt hat, so gibt das Christentum allen Mächten dieselben Rechte über die Gebiete der Mohammedaner und Heiden. Die Ansprüche Europas auf den Rest der Welt sind im Grunde nichts anderes als die Ansprüche des Christentums. Die Interessen Europas leisten den Ansprüchen nur Folge.
Die Verbindung verschiedener Betrachtungsweisen und seine breite Entfaltung verleihen dem Werk Chappuzeaus einen besonderen Aussagewert bei der Veranschaulichung der damals gängigen Europavorstellungen.
(aw)